"Erkennen, was die Welt im Inneren zusammenhält" wollte auch schon Goethe, und ohne von Goethe zu wissen, elektrolysierte ich als Zwölfjähriger mit meinem Eisenbahntrafo Salzlösungen auf der Fensterbank als "Labortisch", und als ich dann mit 13 das erste Chemiebuch in die Hand bekam, habe ich es abends im Bett von vorne bis hinten durchgelesen. Leider wurden in meinem Umfeld nur Jungs gefördert, die Klavier spielen konnten oder gut in Sport waren. Die ChemieOlympiade war unbekannt, wer sich für Chemie interessierte, wurde eher ausgelacht. Egal, ich fand Chemie trotzdem toll und habe es nach dem Abitur als mein erstes Studienfach gewählt. Weil ich mir nicht vorstellen konnte, an der Uni oder in der Chemischen Industrie zu arbeiten, habe ich mich für ein Lehramtsstudium entschieden - Berufspraktika gab es damals noch nicht.

Als ich 1986 mit dem Studium fertig war, gab es allein in Nordrhein-Westfalen 40.000 arbeitslose Lehrer. Daran war einerseits nicht funktionierende Planung schuld: "Im Jahr 1980 werden x Kinder geboren, also brauche ich im Jahr 1986 y  Lehrkräfte für die Grundschulen und im Jahr 1990 z Lehrkräfte für weiterführende Schulen..." Andererseits "musste" der Staat sparen, und so wurden vorhandene neue Lehrerstellen vernichtet, indem man den bereits vorhandenen Lehrkräften per Gesetz drei Stunden Mehrarbeit pro Woche verordnete. Dadurch verschwand für viele Lehramststudenten das letzte Fünkchen Hoffnung auf Arbeit im angestrebten Beruf. Beim Institut der Deutschen Wirtschaft hörte ich einen Vortrag "Lehrer in außerschulischen Tätigkeitsfeldern" und bekam dank meiner Chemiekenntnisse nach der 35. Bewerbung einen mit 4000 DM pro Monat gutbezahlten Job bei der 3M Deutschland GmbH. Vier Jahre später hatte sich der Arbeitsmarkt für Lehrer wieder beruhigt und ich konnte in Bensheim an der Bergstraße mein Referendariat beginnen.

In Deutschland muss jeder Lehrer zwei Fächer haben, und nach Chemie als Erstfach wählte ich Biologie als Zweitfach .

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

Februar 2024, ich habe etwas neues, was mich begeistert und hoffentlich auch viele andere! Die Online-Zeitschrift Science in School hat die überarbeitete und englische Version eines Artikels aus der Zeitschrift "Unterricht Chemie" publiziert: www.scienceinschool.org/article/2024/science-of-lactose-intolerance/

Lange Rede, kurzer Sinn: es geht darum, dass junge Leute heute gerne Haferdrink zu sich nehmen, um Milchprodukte zu vermeiden.

Haferdrink enthält bis zu 10% Maltose, die lebensmittelrechtlich nicht angegeben werden müssen, da sie "rein zufällig" während der Zubereitung "von selbst" (durch Fermentation!) entstehen. Die Industrie ist sogar so frech, auf die Packung aufzudrucken: "Ohne Zuckerzusatz"!

Das ist natürlich eine Halbwahrheit, denn es ist Zucker drin, nur ist der "rein zufällig eben erst entstanden", und das gilt es nachzuweisen! Polysaccharide wie Stärke sind übrigens lebensmittelrechtlich keine Zucker!

Nun weist der Fearon-Test Maltose ebenso wie Lactose nach... wie kann man das differenzieren? Durch ein substratspezifisches Enzym, die Lactase!

Ansatz 1: Milch und Haferdrink ergeben beide die rote Farbe beim Fearon-Test. Ansatz 2: Beide Proben werden mit Lactase aus dem Drogermiemarkt versetzt und dann mit Fearon-Test geprüft: Die enzymatisch behandelte Lactose-Lösung wird gelb, während der enzymatisch behandelte Haferdrink mit Maltose weiterhin die rote Färbung ergibt!

Toll, was?